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10.01.2002

Friedenspädagogik in Zeiten des Krieges

Dieser Artikel gibt eine kurze Einführung in Ziele und Methoden der Friedenspädagogik und gibt Aktionsideen. (aus: "beipackzettel" zur FREUNDSCHAFT für Falken-HelferInnen von Dezember 2001)

Friedenspädagogik in Zeiten des Krieges
Friedenspädagogik in Zeiten des Krieges

Inzwischen ist der Krieg in Afghanistan schon fast aus den Schlagzeilen verschwunden. Trotzdem geht der „Anti-Terror-Krieg“ weiter. Mittlerweile dürfte die Zahl der getöteten afghanischen Zivilisten die Zahl der im World Trade Center ermordeten US-Bürger erreicht oder gar übertroffen haben. Genau weiß das niemand. Als Abrechnung oder Aufrechnung taugen solche Zahlen auch sicherlich nicht. Wer nicht schon vorher gegen diesen „Feldzug gegen den Terror“ war, kann spätestens jetzt Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Mittel bekommen.

Was ist Friedenserziehung?

Als wir diesen Beipackzettel planten, war es uns wichtig zu überlegen, wie wir in den Falkengruppen mit Kindern das Thema Krieg bearbeiten können. Hier sind also unsere sicherlich noch unvollständigen Ideen. Klar war für uns, dass in Zeiten des Krieges „zuerst die Information stirbt“ und nicht nur bei Kindern Verwirrung entsteht, was eigentlich tatsächlich und warum passiert. Globale Krisen und Kriege werden über die Medien für Kinder zu einer vorstellbaren Realität und damit zu ausgesprochenen Stressfaktoren. So ausgelöste Ängste, Verunsicherungen und damit Überforderungen können die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern gefährden, vor allem wenn solche Ängste von Erwachsenen nicht aufgegriffen werden und die Stressauslöser sich häufig wiederholen. Gerade Kindern ist nicht klar, was dieser Krieg bedeutet, ob er für sie selbst eine Bedrohung darstellt, ob der Krieg gerechtfertigt ist oder ob Krieg an sich schlecht ist. Manche versetzen sich in die Menschen hinein, die dort bombardiert werden, auf der Flucht sind, vom Hungertod bedroht sind, verletzt und getötet werden. Sie spüren Angst, Trauer oder Wut.

Friedenserziehung beschäftigt sich mit Kriegsursachen, -verlauf und –folgen. Friedenserziehung muss an konkreten Beispielen deutlich machen, dass internationale Konflikte auch gewaltfrei gelöst werden können. Beispiele, wie Feindschaft überwunden und Frieden gesichert werden konnten, können das deutsch-französische Verhältnis oder auch der gewaltlose Kampf Mahatma Ghandis für die Unabhängigkeit Indiens darstellen. Wir Falken setzen uns seit unserer Gründung vor fast 100 Jahren gegen Krieg und Militarisierung und für Frieden und Völkerverständigung ein und hören nicht auf zu fordern, dass internationale Konflikte gewaltfrei gelöst werden müssen. Zur Friedenserziehung gehört also auch die Entwicklung von Fähigkeiten zur politischen Meinungsbildung und zur politischen Teilhabe.

Friedenserziehung verfehlt jedoch ihr Ziel, wenn sie in erster Linie auf den Versuch setzt, Frieden durch pädagogische Beeinflussung des Sozialverhalltens von Kindern, durch das Einüben eines friedlichen Verhaltens im persönlichen Bereich zu entwickeln. Soziales Lernen ist sicherlich wichtig für die Entwicklung einer humanen Alltagskultur. Soziales Lernen ist aber noch kein Beitrag zur Sicherung des Friedens im Sinne der Überwindung des Krieges als Mittel politischer Auseinandersetzungen. Vor einem Verbot (?) von Kriegsspielen am Computer oder von militärischen Rollenspielen müssen wir darüber nachdenken, welche Funktion diese Spiele für Kinder haben und warum wir unter Umständen selbst Spaß an Ballerspielen am Computer entwickeln...

Wenn wir mit Kindern das Thema Krieg ansprechen wollen, gibt es verschiedene Ebenen, die beachtet werden können und verschiedene Ziele, die angestrebt werden können.

Ziele

Ziele könnte im Sinne einer Aufklärung zum Thema „Krieg und Frieden“ sein:- ...einen Eindruck vermitteln vom Grundmuster eines Krieges aus der Sicht der Betroffenen (Anfang, Verlauf, Folgen) - ...zum Nachdenken über die Ursachen des Krieges anregen, um einer unpolitischen Auffassung des Geschehens als schicksalhafter Fügung oder Naturkatastrophe vorzubeugen. - ...Leitfragen zur Erschließung des gesellschaftspolitischen Aspekts entwickeln (Wem nützt ein Krieg? Was sind die Motive? Was kann man gegen den Krieg machen? etc.) - ...die These vom „gerechten Krieg“ problematisieren - ...über die Entstehung von Feindbildern und Vorurteilen aufklären

Information

Es ist nicht einfach, genaue Informationen über das zu bekommen, was sich in Afghanistan abgespielt hat oder noch abspielt. Viele Kinder haben Fragen, auf die sie keine Antwort bekommen, wollen verstehen, was gerade passiert. Fragen: Was wollen wir wissen? Wo gibt es verständliche Informationen? Können wir den Informationen glauben?

Meinung

Es wird viel über den Krieg diskutiert und die Kinder haben eine Meinung, was in diesem Konflikt gerecht ist und was nicht. In der Gruppe kann ein Austausch über unterschiedliche Standpunkte stattfinden. Dabei können die Kinder lernen, unterschiedliche Meinungen mit Argumenten zu begründen oder auch unterschiedlichen Argumenten zuzuhören und sie nachzuvollziehen. Hier eignen sich Rollen- oder kurze Theaterspiele (z.B. Talkshow), weil sich unterschiedliche Positionen gut nachspielen lassen.

Gefühle

Angesichts der Kriegsbilder von Afghanistan empfinden die Kinder ein Gemisch von Angst, Trauer und Wut. Verwirrung und Verunsicherung sind die Folge. Diesen Gefühlen Ausdruck zu geben, kann Ansatzpunkt von Aktionen sein, bei denen die Kinder Malen, Singen, Theater spielen oder ähnliches probieren. Kunstwerke zum Krieg wie die Bilder z.B. von Pablo Picasso oder Otto Dix können zur Bildbetrachtung und zum Malen eigener Bilder anregen. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, Freund-Feind-Bildern entgegenzuwirken durch Information und gegenseitiges Kennenlernen. (z.B. Auseinandersetzung mit dem Islam). Handeln

Ein gutes Mittel gegen Verwirrung ist Beteiligung und überlegtes Handeln, in dem die Kinder ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck geben oder auch konkrete Solidarität üben. Mit Aktionen wie den unten beschriebenen können sie vielleicht ihre eigene Hilflosigkeit überwinden.

Wir informieren uns

Die Kinder berichten, was sie zum Krieg in xy gehört haben. Sie überlegen sich Fragen, was sie alles noch wissen wollen. Dann versuchen sie auf ihre Fragen durch Befragung von Erwachsenen, durch Ansehen oder Hören von Kindernachrichtensendungen (z.B. logo), Lesen von Zeitungsartikeln oder Surfen im Internet (z.B. www.kindersache.de oder www.sowieso.de) Antworten zu finden. Als Methode bietet sich auch das Schreiben einer (Wand)zeitung oder die Erstellung einer Radioreportage an. Wir drücken unsere Gefühle aus Eine Metapher ist eine poetische Methode, um mit starken Gefühlen besser umgehen zu können. Dabei werden Sprachbilder gesucht, die die eigenen Gefühle, Angst, Trauer und Wut ausdrücken helfen. Zu Satzanfängen werden Fortsetzungen gesucht. Das kann in der Gruppe durch Zuruf passieren, wobei eine Person die einzelnen Satzenden aufschreibt. Oder jedes Kind schreibt sein Satzende auf eine Karte, die dann nachher an die Wand gehangen und vorgelesen wird. So kann man auch ein Motto für eine Aktion gegen den Krieg finden. Satzanfänge können sein: Krieg ist wie... , Frieden ist wie..., Fliehen müssen ist wie..., Berichte über den Krieg im Fernsehen sind wie.... Aus diesen Sprachbildern können dann richtige Bilder entstehen, die zeigen, was Krieg für Kinder bedeutet.

Solidarität

Auch eine gut überlegte Solidaritätsaktion hilft den Kindern, mit der Erfahrung des Krieges umzugehen. Es kann z.B. überlegt werden, in welcher Weise z.B. Flüchtlingskinder unterstützt werden können, ob man das vor Ort tun kann oder ob man sich einer Spendenaktion z.B. von UNICEF oder Terre des Hommes anschließt. In diesem Fall könnten z.B. selbst gemalte Bilder gegen eine Spende verschenkt werden. Teilweise haben die Falken aber auch Partnerorganisationen, über die direkte Solidarität durch Einladungen zum Zeltlager oder Ähnliches möglich wird (z.B. West-Sahara oder Bosnien).

Wir sagen unsere Meinung

Damit die Kinder ihre Meinung zum Krieg in die Öffentlichkeit tragen können, sind Plakatmalaktionen oder Ähnliches sinnvoll. Für etwa 70 DM kann zum Beispiel eine Werbefläche in der Stadt für eine Woche gemietet werden. Auch hässliche Bushäuschen könnten in Rücksprache mit dem Verkehrsunternehmen mit einem großen Gemälde zum Thema „Kinder und Krieg“ geschmückt werden.

Schritte für den Frieden

heißt eine andere Aktion, die auch öffentlichkeitswirksam präsentiert werden kann. Die Kinder überlegen, welche Schritte sie in Richtung Frieden wichtig finden, welche Schritte sie von anderen (z.B. Politkern) fordern und welche Schritte sie selbst gehen wollen. Dann fertigen sie Papierschablonen ihrer Füße an, versehen sie mit den Friedensbotschaften und legen diese Fußstapfen in öffentlichen Gebäuden aus.

Diaserie im Kopf

Die Gruppe stellt sich vor, welche zehn Dias eine Diaserie zum Thema „Kinder im Krieg“ haben muss, um auf die Situation von Kindern aufmerksam zu machen. Die Gruppe einigt sich auf die wichtigsten Aussagen und überlegt sich Bilder dazu. Diese „Bilder im Kopf“ lassen sich auch aufmalen, aus Zeitungen ausschneiden oder fotografieren. So kann eine echte Diaserie entstehen.

Lesetipp

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Kinder im Krieg – Kinder gegen Krieg. Ein Aktions- und Informationsbuch. Mit Geschichten, Reportagen, Gedichten, Aktions- und Unterrichtsideen. Verlag an der Ruhr, 1999

Quelle

„beipackzettel“, Dezember 2001, Herausgegeben von SJD-Die Falken, Bundesvorstand, als Beilage zur Kinderzeitschrift „Freundschaft“

Termine

28.03.2024, 19:00 bis 28.03.2024, 21:00

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