15.01.2022
Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Am 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von rechten Freikorpssoldaten ermordet.
Heute vor 103 Jahren, am 15. Januar 1919, wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von rechten Freikorpssoldaten ermordet. Luxemburg und Liebknecht waren führende Theoretiker*innen der sozialistischen Arbeiter*innenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Sie kämpften gegen Kapitalismus und Nationalismus und setzten sich mit allen Mitteln gegen Krieg ein.
Dies führte für beide zum Bruch mit der SPD: Zwar hatte sich die Partei mit ihrer Gründung dem Antimilitarismus und dem internationalen Klassenkampf verschrieben und noch wenige Tage vor Kriegsbeginn im Juli 1914 zu Massendemonstrationen gegen den Krieg aufgerufen. Doch im August 1914 stimmt die gesamte SPD-Fraktion den Kriegskrediten und damit der Kriegspolitik der Regierung von Kaiser Wilhelm II. zu. Die Fraktion tat dies mit der Begründung, Deutschland befände sich in einem Verteidigungskrieg gegen Russland - obwohl Deutschland am Tag zuvor Frankreich den Krieg erklärt und das neutrale Belgien überfallen hatte.
Für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bedeutete die Zustimmung der SPD-Fraktion zu den Kriegskrediten Verrat an den Idealen und Zielen der SPD und der internationalen Arbeiter*innenbewegung. Kurz nach der Abstimmung rief Rosa Luxemburg daher die "Gruppe Internationale" - später Spartakusgruppe - ins Leben, der auch Karl Liebknecht beitrat. Die Gruppe setzte sich für die internationale Solidarität der Arbeiter*innenbewegung gegen den Krieg ein und versuchte, innerhalb der SPD Verbündete zu gewinnen. Doch die SPD blieb auf Kriegskurs: 1916 wurde Karl Liebknecht mit 18 weiteren Kriegsgegnern aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. 1917 gründeten die Kriegsgegner*innen innerhalb der SPD die USPD, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Im Herbst 1918 begann die sogenannte Novemberrevolution, die die deutsche Monarchie stürzte. Ausgelöst wurde die Revolution vom Kieler Matrosenaufstand, schnell breitete sie sich im gesamten Deutschen Reich aus. An vielen Orten kam es zu Großdemonstrationen, Arbeiter*innen- und Soldatenräte gründeten sich. Am 9. November dankte Kaiser Wilhelm II. ab, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Philipp Scheidemann rief vom Reichstagsgebäude die deutsche Republik aus, fast zeitgleich rief Karl Liebknecht im Berliner Stadtschloss die sozialistische Republik aus.
Liebknecht und Luxemburg kämpften im nun entstandenen Machtvakuum für die Macht der Arbeiter*innen- und Soldatenräte. Doch die SPD-Führung wollte keine Rätedemokratie, ging ein Bündnis mit der Obersten Heeresleitung ein und ließ die revolutionären Januaraufstände in Berlin 1919, die die Wahlen zur Nationalversammlung verhindern und die Räterepublik ausrufen wollten, gewaltsam - u. a. mit Hilfe rechter Freikorpssoldaten - niederschlagen.
Am 15. Januar wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht - der SPD-Führung schon lange ein Dorn im Auge - gefangen genommen und ins Hauptquartier der sogenannten Garde-Kavallerie-Schützen Division zu Hauptmann Waldemar Pabst, dem militärisch mächtigsten Mann Berlins, gebracht. Er ließ sie kurz verhören, foltern und anschließend auf dem fingierten Weg ins Gefängnis ermorden. Karl Liebknecht wurde im Tiergarten erschossen, Rosa Luxemburg bewusstlos geschlagen, erschossen und in den Landwehrkanal geworfen. Luxemburgs Leiche wurde erst im Mai 1919 gefunden.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten wesentlichen Anteil an der Revolution 1918/1919. Für ihren politischen Kampf kamen sie immer wieder in Haft und mussten schließlich sterben. Doch auch sie waren am Ende nur zwei von vielen - von den meisten kennen wir die Namen nicht. Ohne die streikenden Arbeiter*innen, ohne die den Befehl verweigernden Soldaten, ohne die vielen Kämpfer*innen auf den Straßen wäre es nicht möglich gewesen, die Monarchie zu stürzen. Viele Menschen ließen im Kampf für eine bessere Welt ihr Leben.
Wenn wir heute also Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts gedenken, tun wir das stellvertretend: stellvertretend für die Kieler Matrosen, die Berliner Spartakist*innen, die Begründer*innen der Räterepubliken in Bremen und München, stellvertretend für alle Genoss*innen, die weltweit im Kampf für eine sozialistische Welt ermordet wurden.
Und wir gedenken heute eines historischen Moments, in dem die praktische Umwälzung alles Bestehenden, die Möglichkeit einer befreiten Gesellschaft zum Greifen nahe war. Denn nur wenn wir auch der verpassten Chancen, der Niederlagen und der Fehler gedenken, können wir für unsere heutigen Kämpfe lernen und unsere eigene Praxis einer permanenten Überprüfung und Kritik unterziehen.
Die gesellschaftlichen Umstände haben sich seit dem revolutionären Wirken von Rosa und Karl massiv verändert. Doch noch immer leben wir in kapitalistischen Nationalstaaten, noch immer ist das Ziel ökonomischer Produktion der Profit des Kapitals auf Kosten von Arbeiter*innen, ihrer Gesundheit und Umwelt. Der politische Umgang mit der Coronapandemie zeigt uns das einmal mehr deutlich.
Wir als Sozialistische Jugend streben wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und ihre Mitstreiter*innen eine Gesellschaft an, in der das gesellschaftliche Leben zur gemeinsamen Aufgabe aller wird, eine Gesellschaft, in der alle Menschen selbstbestimmt leben und sich frei entfalten können, eine Gesellschaft, in der Kapitalismus und autoritäre Herrschaftsformen überwunden sind.
Dafür brauchen wir Rosa und Karl heute wie nie zuvor: Rosas unermüdliches Bestehen auf dem Prinzip einer rücksichtslosen und bis auf den Grund gehenden Kritik an uns selbst, sowie Karls ungebrochene Zuversicht, dass die Möglichkeit einer sozialistischen Welt auch unsere schlimmsten Niederlagen übersteht.
Trotz alledem!
15.01.2022: Heute gedenken wir Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die am 15. Januar 1919 von rechten Freikorpssoldaten ermordet wurden.