22.05.2013
Emanzipatorische Jungenarbeit als Teil von geschechterbewusster Falkenpädagogik
Beschluss der Bundeskonferenz 2013
Fakt ist...
Jeder Mensch ist individuell. Soziale Normen, Rollen und Fähigkeiten erlernen wir im Laufe unseres Lebens durch Erziehung und gesellschaftliche Sozialisation, aber auch unbewusst durch die Reaktionen unserer Mitmenschen. Die Gesellschaft legt fest, was unter Begriffen wie "schön", "schlau", "männlich" und "weiblich" zu verstehen ist. Vor allem werden wir in künstliche Kategorien eingeteilt und nach ihnen beurteilt; sie bestimmen unser Leben und unsere Wahrnehmung. Insbesondere bei den Begriffen "männlich" und "weiblich" legt die Gesellschaft fest, was darunter zu verstehen ist und welches Verhalten für Frauen oder Männer angemessen ist. Von äußeren Geschlechtsmerkmalen wird auf unser Denken, Handeln und Fühlen geschlossen. Der Grundstein für geschlechtsstereotypes Rollenverhalten wird in der Kindheit gelegt. Durch das geschlechtsspezifische Verhalten der Eltern und durch weitere Sozialisationsinstanzen, wie Schule, peer group, etc. erfahren die Kinder schon sehr früh, was männlich und was weiblich sei. Am Ende dieses Prozesses werden die geschlechtsspezifischen Rollenbilder nicht mehr infrage gestellt. Die Einteilung in zwei grundsätzlich verschiedenen Geschlechtsrollen hat für unser Leben reale Auswirkungen. Auch die Falken bilden gesellschaftliche Realität ab, weswegen die gesellschaftlichen Probleme auch in unseren Gruppen wahrnehmbar sind. Auch deswegen ist Mädchenarbeit bei den Falken schon lange etabliert. Sie ist ein wichtiger Bestandteil feministischer Pädagogik und fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Wie alles begann - Jungenarbeit bei den Falken Sachsen Die Falken Sachsen haben seit ungefähr zwei Jahren Jungenarbeit in ihre Arbeit integriert. Der Start verlief sehr stolpernd, da es, im Gegensatz zur Mädchenarbeit, sehr schwer war an pädagogisches Material, Methodensammlungen, etc. heranzukommen. In Verbandspublikationen findet Jungenarbeit kaum Beachtung. Durch das Engagement von Gruppenhelfer*innen und der Unterstützung durch die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jungenarbeit konnten wir ein umfassendes Konzept für Jungenarbeit in unserem Sommercamp erarbeiten und erfolgreich durchführen. Dieses Konzept wird dabei ständig weiterentwickelt um gesammelte Erfahrungen einbringen zu können.
Jungenarbeit im koedukativen Rahmen Unser pädagogischer Ansatz von Geschlechtergerechtigkeit ist die reflexive Koedukation. Der Ausdruck Koedukation bezeichnet im Allgemeinen die gemeinsame Bildung und Erziehung von Jungen und Mädchen. Koedukation entstand, um Gleichberechtigung und Chancengleichheit herzustellen. Durch eine reine Koedukation kann dieses Ziel jedoch kaum erreicht werden. Sie baut oft Druck auf, sich einer Geschlechterrolle anzupassen. Das Konzept der "reflexiven Koedukation" ist eine geschlechterbewusste Förderung von Mädchen und Jungen unter Berücksichtigung der Geschlechterverhältnisse und ihrer Konstitutionsbedingungen mit dem Ziel des Abbaus von Geschlechterhierarchien. In der Praxis bedeutet dies, eine reflektierte gemeinsamen Erziehung und Bildung von Mädchen und Jungen durchzuführen und mit Kindern und Jugendlichen gesellschaftliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu thematisieren. Dadurch sollen den Kindern die Mechanismen ihrer Sozialisation bewusst werden, was den Druck zur Übernahme der Rollen vermindern soll. Durch die Trennung von Jungen und Mädchen besteht aber auch die Gefahr, Stereotypen zu verstärken, wenn nicht mit dem jeweilig anderen Geschlecht zusammengearbeitet wird. Pädagog*innen müssen also eine Konzeption entwickeln, die diese Möglichkeit erkennt und zu verhindern versucht. Reflexive oder auch geschlechterreflektierte Koedukation ist somit eine Weiterentwicklung von Koedukation. Der Ansatz der reflexiven Koedukation teilt sich dabei in drei Säulen: feministische Mädchenarbeit, emanzipatorische Jungenarbeit und gendersensible Jugendarbeit. Koedukation ist ein wichtiges pädagogisches Konzept der Falken. Jedoch kann der Anspruch von Geschlechtergerechtigkeit nicht durch Koedukation alleine verwirklicht werden. Eine Weiterentwicklung zur reflexiven Koedukation ist für die Falken wichtig. Jungenarbeit aus einer linken Perspektive Emanzipatorische Jungenarbeit will erreichen, dass sich Jungen und Mädchen von Geschlechterrollen emanzipieren. Außerdem problematisiert sie Geschlechtsidentitäten und setzt sich mit der Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten aller Menschen auseinander. Sie gibt Jungen den Raum, eigene Geschlechterrollen zu reflektieren, und sich davon ausgehend weiterzuentwickeln. Jungenarbeit schafft einen offenen Raum, in dem sich Jungen austauschen können. Er schafft jedoch keinen Safe Space im Sinne der Mädchenarbeit, da Jungen bereits in geschlechtsheterogenen Räumen dominante Rollen einnehmen. Dementsprechend ist z.B. der Jungenbereich nur während der Angebote geöffnet und nicht während der Freizeitphasen. Jungenarbeit bedeutet, sich vielseitig mit verschiedenen weiteren Themen auseinander zu setzen. Dazu gehören Sexualpädagogik und Körperwahrnehmung, aber auch der reflektierte Umgang mit queeren Themen. Feminismus ist auch Männersache! Dieser, zugegeben etwas plakative, Satz beschreibt die Aufgabe emanzipatorischer Jungenarbeit. Die Reflexion der eigenen Geschlechterrollen, die bewusste Körper- und Grenzwahrnehmung und der Raum für Jungen, eine eigene positive Identität zu entwickeln, sind wichtige Voraussetzungen um patriarchale Strukturen zu bekämpfen.
Was passieren muss!
- Auf bundesweiten Veranstaltungen, insbesondere der Verbandswerkstatt, werden Angebote zu Jungen - und Mädchenabrbeit geschaffen.
- Ausgehend von diesem Seminar wird eine Publikation zu Jungenarbeit erstellt.
- Der Bundesvorstand etabliert emanzipatorische Jungenarbeit als wichtigen Bestandteil der Falkenpädagogik
- Der Bundesvorstand prüft eine Mitgliedschaft in der Bundesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit und strebt sie gegebenenfalls an.